Kulinarik-Trend

Bier mischt die Bar-Kultur auf

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Biermischgetränke liegen im Trend. Und damit sind nicht die bereits lang etablierten Longdrinks der Bierkultur gemeint. Zwar sind Radler & Co. seit Jahren natürlich äußerst beliebt, doch es sind die von hingebungsvollen Barkeepern ausgeklügelten Biercocktails, die überraschend raffinierte Geschmackserlebnisse bereiten.

Biermischgetränke mit und ohne Alkohol erfreuen sich in Österreich nach wie vor großer Beliebtheit. Laut aktuellem Bierkulturbericht trinkt fast jeder zweite Österreicher (47 %) Biermischgetränke wie Radler. Im Trendverlauf zeigt sich, dass dieser Wert seit Jahren nur leicht schwankt und auf dem gleichen hohen Niveau bleibt. Frauen sind den fruchtigen Erfrischungen etwas mehr zugetan als Männer (50 % versus 43 %). Radler sind auch unter jüngeren Konsumenten und Konsumentinnen zwischen 18 und 29 Jahren besonders beliebt (61 %). Aber der deutlich jüngere Trend, der noch dazu geeignet ist, der heimischen Bier- wie auch Barkultur völlig neue und idividuelle Impulse zu geben, heißt Biercocktails.

Neuer Trend, alte Idee

Das klingt erstmal gewöhnungsbedürftig, konnte aber bisher geschmacklich noch fast jeden Skeptiker überzeugen, der sich darauf eingelassen hat. Doch tatsächlich sind diese deutlich ausgefeilteren Biermischgetränke gar keine neue Erfindung der jüngsten Barkeeper-Generation, die auf der Suche nach so genussvollen wie ungewöhnlichen Rezepten nun eben zum flüssigen Gold greifen. Der „Black Velvet“ etwa feierte vergangenes Jahr seinen 150. Geburtstag und wird damit schon länger als die meisten anderen namhaften Vertreter einer klassischen Cocktailkarte genossen. Dieser Drink aus dunklem Stout, mit Champagner aufgefüllt, lässt sich nämlich auf das Todesjahr von Prinz Albert, Gemahl der britischen Königin Victoria, bis in den Londoner Brocker’s Club zurückverfolgen. Dort wurde er zu Ehren des Verstorbenen erfunden.
 

Gewissenhaftes Handwerk, qualitätsvolle Zutaten

Trotzdem hat die (Wieder-)Entdeckung von Bier als Cocktailzutat etwas mit der Renaissance der Barkultur zu tun, die wir in den letzten ein, zwei Jahrzehnten weltweit, aber ganz besonders und sogar noch etwas früher in Österreich erlebten. Vor genau 32 Jahren eröffnete Mario Castillo den legendären Barfly’s Club und läutete das sogenannte  Wiener Barwunder ein, das in Anzahl und Qualität der Cocktailbars klassischen Zuschnitts in der österreichischen Hauptstadt plötzlich locker mit jeder Metropole  der Welt mithalten konnten. Denn, wenn etwas das Wiederaufleben der klassischen Barkultur definiert, dann das Gewicht, das die Mixologen (wie diese Barkeeper genannt werden) auf gewissenhaftes Handwerk, Kreativität und insbesondere authentische, qualitätsvolle Zutaten legen. Sicherlich sind auch aufregende, neue Geschmackserlebnisse das Ziel, aber der neuen Barkultur geht es vor allem um bessere bzw. ausgewogenere Rezepturen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis man auf das Bier stieß.

Wissen, was man tut

Gleichzeitig liegt darin auch der Grund, warum Bier vergleichsweise spät sein Debüt als Filler bzw. Mixer für komplexere Cocktails feiert. Denn ein Filler verlängert den Drink und rundet den Geschmack ab, ohne die Grundrichtung zu übertünchen – wie etwa das Tonic beim Gin oder umgekehrt die Limonade beim Radler. Und Bier ist als Filler kein einfaches Getränk, wenn man damit harmonische Kreationen schaffen möchte. Man muss schon recht genau wissen, was man tut, will man sich nicht auf sein Glück verlassen. Mit seinen an sich ausgewogenen, aber vielfältigen Aromen, seinen dominanten Malz- oder Hopfennoten kann Bier ganz schnell Basis oder Aromageber eines Cocktails übertrumpfen. Der große Variantenreichtum der Biersorten macht die Sache nicht weniger kompliziert. Aber wir leben ganz offenbar im neuen goldenen und hochentwickelten Zeitalter der Barkultur, die so viele überraschende Zutaten zu  einem harmonischen  und vor allem schmackhaften Ganzen verbinden kann.

Diese 5 Grundregeln gilt es beim Mixen von Bier-Cocktails zu beachten:

Welches Bier benutzt man?

Grundsätzlich sind Harmonie (auch optisch: Helles zu Hellem) und geschmackliche Balance gefragt.

Wie schmecke ich richtig ab?

Wie beim Foodpairing gilt es, den dominanten Charakter beim jeweiligen Bier zu finden und mit der Basis bzw. dem Hochprozentigen sowie den anderen Zutaten bzw. den Aromagebern abzugleichen (z. B. ein fruchtiges Weizen zu Fruchtigem; ein Stout mit intensiven Röstnoten zu Süßem).

Welches Bier eignet sich für welche Mischung?

Ein Märzen oder Lager ist relativ neutral und eignet sich gut für erste, einfache Mischungen. Die Klassiker der Biermischgetränke, wie eben der Radler in Österreich, zeugen davon.

Wie mixe ich alles richtig?

Schütteln ist bei einem kohlensäurehaltigen Bier nicht die allerbeste Idee. Falls Rühren allein nicht reicht – die Basis erst danach mit Bier auffüllen.

Auf was muss ich achten?

Vorsicht bei cremigen Likören. Die flocken – gemischt mit Bier – oft aus. Kein Hingucker und besonders bei Cocktails trinkt das Auge mit.

Francesco Camello ist nicht nur F&B Operations Manager bei einer der besten Hotelbars Osterreichs, der 31-Jährige hat außerdem den Arbeitsplatz mit der wahrscheinlich besten Aussicht Wiens: „Das Loft“ im SO/ Vienna. © VOGUS

Bier-Negroni by Francesco Camello

Zutaten 

  • 1 Teil (3 cl) Gin
  • 1 Teil (bzw. etwas mehr: 3,5 cl) roter Wermut (traditionell: Antica Formular)
  • 1 Teil (3 cl) Campari (ohne Alternative)
  • 5 cl Märzen-Bier (ideal: intensive Malzblume; dezente Bittere und Hopfennote)
  • ausreichend Eiswürfel
  • Auf die klassische Orangenscheibe als Garnitur kann gerne verzichtet werden.
  • Zutaten genau abmessen, da der Negroni schnell zu bitter werden kann.
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Zubereitung 

  • Ein vorgekühltes Glas gut mit Eiswürfeln füllen.
  • Noch mehr Eis in einen großen Tumbler oder ein anderes Glasgefäß mit stabilem Boden geben.
  • Gin, Campari und 2 cl Antica Formular nach und nach in den Tumbler geben.
  • Die Zutaten kalt rühren.
  • Die Mixtur in das Glas mit Eis abseihen. Die Eiswürfel im Tumbler bleiben zurück.
  • Das Bier mit 1,5 cl Antica Formular ganz kurz (5 Sek.) mit einem Stabmixer aufmixen. Notfalls tun es ein Löffel und ein Becher.
  • Min. 4 cl des Bier-Wermut-Gemischs mit ausreichend Schaum vorsichtig auf den Drink geben.
  • Gerne nach Geschmack noch etwas nach-justieren und den richtigen Mix finden.

Gutes Gelingen!

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