Interview

Gerald Grosz zeigt sich von seiner ganz privaten Seite

Sein Haus am Demmerkogel ist für Gerald Grosz zur zweiten Heimat geworden © beigestellt

Wir haben Gerald Grosz auf ein Glas Wein getroffen. Heraus gekommen ist ein Gespräch über Streitkultur, Politikleidenschaft und Genussmenschen.

Was Richard Lugner kann, kann er schon lange – dachte sich wohl Gerald Grosz und verkündete überraschend sein Antreten bei der Bundespräsidentenwahl im Herbst 2022. Geklappt hat es ja nicht, aber er brachte sich damit ins Gespräch. In gewohnter Gerald Grosz-Manier nutzte der Politikexperte diese Aktion auch Rundumschlag, bezeichnet das Amt als „Gut Aiderbichl der Parteien“, wohin man politische Frühpensionisten am Ende ihrer Karriere verschoben habe. Verstaubt sei die Funktion. In jedem Falle würde es eine spürbare Veränderung für sein Leben bedeuten für den unwahrscheinlichen Fall, dass er die Wahl gewinnen würde. „Träumen wird man ja dürfen. Und ich bin ohnehin gewohnt, viel zu arbeiten. Ich bin schon früh, seit dem 15. Lebensjahr, von Politik fasziniert.

Es gibt die Partei nicht mehr, die mich ertragen kann! Und umgekehrt. Gerald Grosz

Parteipolitisch will er sich aber nicht mehr engagieren: „Es gibt die Partei nicht mehr, die mich ertragen kann! Und umgekehrt.“ Umso leidenschaftlicher attackiert der Politblogger auf seiner Facebook-Seite die gesamte politische Spitze des Landes mit Wutvideos. Grosz im Originalton: „In Wien und Berlin sitzen die größten Flaschen auf der Regierungsbank.“

Van der Bellen bekommt natürlich sein Fett ab, genau wie vorher Sebastian Kurz, Karl Nehammer und Werner Kogler. Privat ist er einer von der angenehmen Sorte, Genußmensch, redet viel und gerne, ist amüsant und weiß viel zu erzählen. Wir erwischen ihn zum Interview in seinem Rückzugsort in der Südsteiermark, auf ein Glas. Vor drei Jahren hat er für sich und seinen Ehemann Thomas ein uriges Haus mit Garten gekauft, das in den beiden Corona-Jahren zum Hauptwohnsitz mutierte, eigentlich ungeplanterweise. Aber er möchte es nicht mehr missen. Hier hält er sich von Mittwoch bis Montag früh auf, dann in Graz oder Wien, wenn er beruflich zu tun hat.

1977 in Graz geboren, in Deutschlandsberg aufgewachsen, absolviert er eine kaufmännische Lehre in einer Grazer Werbefirma, danach wechselt er in die Politik, ist bis 2015 in unterschiedlichen politischen Funktionen tätig. Eine schicksalshafte Begegnung ebnete diesen Weg. Er trifft im Frühjahr 1992 bei einer kleinen Wahlkampfveranstaltung eine schillernde Figur, einen politisch Begabten, einen Charismatiker - Grosz nennt ihn abgeklärt den Menschenfischer. Die Rede ist von Jörg Haider - Zusammen mit ihm gründet er später das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), war von 2006 bis 2008 Generalsekretär.

Dann verlässt ihn irgendwie diese politische Leidenschaft, er fühlt sich ausgebrannt, findet es plötzlich mühsam mit Menschen zu kommunizieren und spürt – Veränderung tut not. Privat und beruflich – privat findet er ein Hideaway in der Südsteiermark, verbringt die überwiegende Zeit dort, Seele auftanken. Beruflich macht er einen harten Schnitt, scheidet 2015 aus allen politischen Ämtern aus und macht sich selbstständig. „Ich habe mich sozusagen selber aus dem wohl dotierten Nest eines Berufspolitikers geworfen.“

"Ich bin glücklich, dass ich meine Berufung zum Beruf machen konnte", sagt Gerald Grosz beim Interview © beigestellt

Nie mehr Politik - Die selbstauferlegte Abstinenz hält zwei Jahre an. Dann passiert eine Art Erweckungserlebnis. Grosz nimmt spontan ein Video auf, dass er aus Zorn über Austro-Türken, die Erdogan wählen, bespricht. Über 1,6 Millionen Aufrufe für seine Schimpftirade machen ihm klar, wohin sein Weg führt. Auch Verleger Wolfgang Fellner tritt an ihn heran und holt ihn – O-Ton Gerald Grosz - aus seiner Gruft und produziert mit ihm eine Sendung, eine Art Streit-Duell mit dem Ökonomen Sebastian Bohrn Mena in „Fellner Live“ beim Fernsehsender oe24.tv.

Lachend erzählt er von der (nicht wirklich) Vorbereitung auf die Sendung, die ja aktuell ist und damit würden sich die Themen mehr oder weniger aufdrängen. 10 Minuten vorher trifft man sich und spricht sich ab, wer zu welchem Thema etwas beitragen will. So einfach kann es sein. Daneben kommentiert der 45-Jährige für unterschiedliche Medien das aktuelle Zeitgeschehen. In den sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und YouTube veröffentlicht er regelmäßig Postings über die politische und gesellschaftliche Entwicklung, schreibt mehrere Bücher. 

Ein weiteres Standbein ist ein Rhetorik-Projekt, dass er in Form einer Masterclass für Interessierte anbietet. Er ist halt einfach ein Tausendsassa. „Ich fühle mich meistens so, als ob ich vor einem Herd mit 8 Töpfen stehe, ich rühre um und schau, dass nichts anbrennt.“ Stillstand kennt er einfach nicht.

Ich stehe gern im Mittelpunkt, ich rede gerne, ich habe meine Meinung und tue sie kund, ich bin durchaus von Narzissmus gestreift und ich bin nicht 'leutscheu' Gerald Grosz

Er arbeitet daran, seine eigene Marke zu werden. Auf seiner Webseite bietet er unter anderem Produkte wie Shirts und Kappen an mit dem Slogan „Make Österreich grosz again“… vielleicht gleich der spätere Slogan für den Präsidentenwahlkampf? Er hat viele Neider und Feinde, da drängt sich die Frage geradezu auf – sind das die Schattenseiten seiner Bekanntheit? Überraschenderweise empfindet er das gar nicht so. „Ich stehe gern im Mittelpunkt, ich rede gerne, ich habe meine Meinung und tue sie kund, ich bin durchaus von Narzissmus gestreift und ich bin nicht „leutscheu“.

Auch kritische Begegnungen nimmt er an – „Harmonie ist manchmal auch Stillstand“. Das schönste Kompliment, das man ihm machen kann, ist für ihn, wenn Leute ihn als mutig empfinden. Dieser Zuspruch kommt von vielen Menschen – nach dem Motto er traue sich Sachen zu sagen, die sich andere nicht trauen. In Wahrheit wäre er eher ein ängstlicher Mensch. „Ängstlich, was meine eigene Überzeugung, was meine private Zukunft und mein Umfeld betrifft. Ängstlich, ob ich das Richtige tue. Meine Aussagen sind immer das Ergebnis eines langen, manchmal quälenden Prozesses. Liege ich richtig, liege ich falsch?“

Privat umgibt er sich eher mit einem kleineren Kreis an alten Freunden aus der Schulzeit. Seine langjährigen Wegbegleiter, aber auch sein Ehemann sind ein bisschen eine Art Korrektiv, wenn er sich schon mal in ein Thema zu sehr verbeißt. Seinen Hang zum Hypochonder hat er einigermaßen gut im Griff, beziehungsweise eher sein verständnisvoller und humorvoller Hausarzt.

Grosz wirkt immer dynamisch, ist sich dessen bewußt und kultiviert das auch ein bißchen. Ruhe findet er in den Wochenenden in seinem Haus, bei einem Gläschen Wein. Er wäre ein „barocker“ Mensch, kämpft wie viele von uns mit überflüssigen Kilos, geht gerne Essen (sein Lieblingslokal ist das Winzerhaus am Kogelberg, da sitzt er gerne mindestens einmal in der Woche romantisch unter dem Nußbaum) und ist zuhause ein guter Gastgeber. Bekocht werden die Gäste allerdings immer und ausschließlich von seinem Mann Thomas, in großem Stil und auf Haubeniveau. Grosz darf gar nicht in die Küche, kümmert sich dafür aufmerksam um das Weinangebot für seine Gäste.

Gerald Grosz spielt gerne den Gastgeber für seine Freunde © beigestellt

Eitel ist er schon, doch Mode interessierte ihn früher nicht besonders. Aber vor 13 Jahren lernt er eben seinen Mann kennen, der modisch sehr interessiert ist. Das färbt natürlich ab. Seine Lieblings-Freizeitkleidung ist die Lederhose, er trägt jeden Tag eine seiner drei Stück, vor allem wenn er in der Südsteiermark ist. In der Stadt, ob Graz oder Wien, ist er eher cooler unterwegs, im Fernsehstudio eher elegant gekleidet.

Die Sommerfigur wäre noch nicht ganz da, aber er hat genügend Klamotten für alle Gewichtsvarianten. Wir verabschieden uns, sind für das Interview gerne länger geblieben als geplant. Man kann es vielleicht am besten so zusammenfassen: Man muss nicht seiner (politischen) Meinung sein – aber er ist einfach ein geschmeidiger, vielfältiger und interessanter Mensch, mit Ecken und Kanten.

Ehemann Thomas (li.) ist seine große Liebe © beigestellt