Trinkgenuss

Ein Prost auf die breit verankerte Bierkultur

Laut Bierkulturbericht ist 64 Prozent der Befragten wichtig, dass das Bier in der Gastronomie in ein passendes Glas kommt. © Gettyimages.com

Ganz egal, ob zum freudigen Anstoßen im Bierzelt oder als Belohnung nach einem langen Tag beim Wandern – Bier ist aus der österreichischen Kultur nicht mehr wegzudenken. Was hinter der Kultur des Traditions-Tropfens steckt, verraten wir hier.

Der Stellenwert von Bier für die Getränkekultur in Österreich ist ungebrochen. Wie die Österreicher ihr Kühles Blondes am liebsten genießen, was ihnen dabei wichtig ist und welche Entwicklungen sich am Markt abzeichen erklären die folgenden fünf Thesen

1.

"ÖSTERREICH HAT EINEN FEST VERANKERTEN GRUNDSTOCK AN BIERKULTUR."

Seit vielen Jahrzehnten sind die Österreicher ganz weit vorne, wenn es um den Bierkonsum geht. Das ist erfreulich für die Brauwirtschaft. Das ist erfreulich für die Gastronomie, für die Tourismuswirtschaft, für den an jedem Schluck Bier ein bisschen „mittrinkenden“ Finanzminister. Aber vor allem ist es erfreulich für die Biergenießer selber. Fragt man, warum die Menschen hierzulande gerne Bier trinken, dann sieht man rasch, wie tief die Bierkultur in der Gesellschaft verankert ist: Bier wird, wie die gesamte Serie von 15 Bierkulturberichten zeigt, vor allem als ein soziales Getränk wahrgenommen – wer Freunde trifft, geht mit ihnen „auf ein Bier“ (auch, wenn es, streng genommen, nicht unbedingt bei einem Bier bleibt). 

Zum Grundstock der Bierkultur gehört auch, dass man sich zum regionalen Bier bekennt. Mehr noch, viele Menschen verfechten die Regionalität beim Bier, als ob es um die eigene Familie ginge. Internationale Biere mögen gut sein. Biere irgendwo aus Österreich mögen einem ein wenig besser vorkommen. Aber für vier von zehn Biertrinkern ist das Bier aus der Region etwas ganz Besonderes. Da steckt viel Emotion dahinter. Und viel Wissen – um die Standorte der Brauereien, um die Herkunft der Rohstoffe, um den regionalen Geschmack.

2.

"GUTE BIER-GASTRONOMIE IST DIE VORAUSSETZUNG FÜR EINE BREIT VERANKERTE BIERKULTUR."

Es ist nicht zu übersehen: Österreichs Bierlokale werden von Jahr zu Jahr besser – das betrifft ihr Erscheinungsbild, das betrifft ihr Bierangebot, das betrifft aber vor allem auch die Menschen, die dort arbeiten und kundig Bier ausschenken. 1,8 Mio. hl im Jahr 2022 laut der Statistikbroschüre des Verbandes der Brauereien. Das ist eine beachtliche Menge an Genuss, der da serviert wird. Auch wenn man sein Bier genauso daheim trinken kann – der heimische Kühlschrank lächelt einen eben nicht an, wenn man ihm das Bier entnimmt, er sagt auch nicht „Zum Wohl!“. Mehr noch: So gut man den Kühlschrank auch bestücken mag – er kann einem keinen Rat geben, welches Bier gerade zur Saison, zur Tageszeit, zum jeweiligen Essen passt.

Hier liegt eine Kernkompetenz der Gastronomie, hier gibt es Spitzenleistungen, aber auch wahrgenommenen Verbesserungsbedarf in etlichen Betrieben und für etliche Zielgruppen: Viele Konsumenten, gerade jene mit hoher Markentreue, die in „ihr“ Bier geradezu verliebt sind, wollen ja vor allem das gewohnte Bier in bester Qualität gezapft und mit ebenso gewohnter Freundlichkeit serviert bekommen. Aber der Bierkulturbericht zeigt eben auch auf, dass die Ansprüche verschieden sein können: Gleich am benachbarten Tisch sitzt vielleicht ein Gast, der die Bierkarte aufmerksam studiert und ein besonderes Bier verlangt, das den treuen Stammgast überhaupt nicht interessiert. Hat der eine Gast recht oder der andere? Wohl beide. Und beide wollen und sollen bekommen, was sie verlangen. Es ist daher kein Zufall, dass mehr als die Hälfte der für den Bierkulturbericht befragten Bierfreunde ein breites Bierangebot in der Gastronomie wünschen. Immerhin: Sie bekommen es auch in einem hohen Maße.

Egal ob ein helles Weizen oder ein vollmundiges Märzen - die Auswahl an Biersorten ist groß. © Brauunion

3.

"OHNE BIER-VIELFALT IST DIE BIERKULTUR IN GEFAHR, ZU VERKÜMMERN."

Im ersten Bierkulturbericht 2009 war von einem Gleichnis zu lesen: Was halten wir von einem Menschen, der sich für einen Gemüseexperten hält, aber gleichzeitig versichert, nur Karfiol und zwar nur der aus seiner Heimatregion wäre das einzig genießbare Gemüse? Was hielten wir von einem Gemüsehändler, der eben nur jenen Karfiol anbieten würde? Und würden wir nicht einen Bauern, der ausschließlich Karfiol anbaut, wegen seiner Monokultur schelten? Monokultur ist so ziemlich das Gegenteil von wirklicher Kultur.

4.

"DIE BIER-TRINKER VON HEUTE SIND ANDERE ALS JENE VON VOR 10 JAHREN."

Kultureller Wandel passiert nicht von heute auf morgen. Und auch nicht von einem Jahr auf das nächste Jahr. Aber er passiert. Schon deshalb, weil sich die Träger der Kultur ändern. Die demografischen Fakten sprechen für sich: 2009 lebten 8,3 Mio. Menschen in Österreich, 2018 waren es bereits 8,8 Mio. Nein, das heißt nicht unbedingt, dass es heute eine halbe Million mehr Biertrinker gibt als noch bei der Vorlage des ersten Bierkulturberichts. Aber auch wenn einige dieser dazugekommenen Personen aus religiösen oder anderen Gründen keinen Alkohol trinken, so sieht man doch, dass die Zahl potenzieller Biertrinker gestiegen ist.

Und noch etwas muss man bedenken: Im Schnitt werden jedes Jahr zwischen 84.000 und 95.000 junge Menschen in Österreich erwachsen – und das bedeutet, dass viele erstmals ihren Zugang zum Biergenuss finden. Manche finden genau die Biere gut, die auch ihre Eltern und Großeltern mögen. Aber man kann niemandem verdenken, wenn er oder sie sagt: „I don’t drink my father’s beer.“ Bitte sehr: Es muss ja nicht das gleiche Bier sein, das alle kennen (oder zu kennen glauben). 

Tatsächlich sind es oft junge Konsumenten, die ganz neue Biergeschmäcker probieren – Biere mit sehr viel intensiverem Geschmack als das verbreitete Märzenbier. Und Biere mit sehr viel Charakter.

 

Entgegen der Erwartungen wird Radler nicht nur von Radfahrern getrunken, ist aber durch seine Leichtigkeit sehr beliebt. © Steiermark Tourismus Michael Strobl

5.

"WER RADLER TRINKT, MUSS NICHT UNBEDINGT RADFAHREN."

Die Österreicher sind ein Volk von Radfahrern – auch wenn Fahrräder im Stadtbild unserer Städte nicht so auffallen wie etwa in den Niederlanden. Die 8,8 Mio. Einwohner besitzen aber sechs Mio. Fahrräder. Und weil sich Radfahren – wie das Lenken eines jeden Fahrzeugs – nicht mit hohem Alkoholkonsum verträgt, wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts der „Radler“, also ein Biermischgetränk mit weniger Alkohol, erfunden und fand über die Jahre immer häufiger den Weg ins Bierglas.

Es ist nicht klar, ob zwischen der gestiegenen Zahl an Fahrrädern und der gestiegenen Menge an Radler eine echte Korrelation besteht – es ist aber offensichtlich, dass Radler populär ist. Weil er sportlich wirkt und weil die Bier-Limonaden-Mischung offenbar auch geschmacklich den Erwartungen entspricht. So sehr, dass österreichische Radler ein Exporterfolg sind. So sehr, dass österreichische Radler-Rezepte inzwischen in andere Länder lizenziert worden sind. Und so sehr, dass man leicht übersieht, dass Radler bei weitem nicht nur von Radfahrern getrunken werden.

Zwar bekennen sich vor allem junge Konsumenten zum Radler-Genuss – aber der Markt für Radler ist noch gar nicht voll abgesteckt: Viele Menschen, die Bier bisher noch gar nicht schätzen gelernt haben, tasten sich über Biermischgetränke an den Biergeschmack heran.