Kommentar

Muss das sein? Magermodels sind wieder auf dem Vormarsch

Size Zero Model
Designer präsentieren zu 96 Prozent an dünnen Models ihre Kreationen © Gettyimages.com

Der Y2K-Trend ist angesagt wie noch nie und somit wurde die hart erkämpfte Diversität wieder out. Die Modewelt verkündet die Rückkehr der Size Zero-Models, ein Trend, der schon lange nicht mehr zeitgemäß ist, findet unsere Redakteurin Alexandra Hofbauer-Steiner.

Topmodels regieren die Welt

Als ich in den 1990ern groß wurde und erstmals den Begriff "Topmodel" hörte, war ich naturgemäß neugierig auf die wunderschönen Frauen, die von der Welt begehrt wurden, in Magazinen abgebildet waren und die schöne Designer-Mode präsentieren durften. Ziemlich schnell wurde ich von der glitzernden und glamourösen Welt enttäuscht.

Keine der Frauen in der Topmodel-Riege sah auch nur annähernd so aus wie ich. Heidi Klum, Naomi Campbell und Cindy Crawford waren alle wunderschön, groß und angeblich kurvig. Sie waren Vorbilder für viele Frauen - nur nicht für ein Mädchen wie mich. Dann änderte sich das Verständnis von Schönheit und Kate Moss wurde entdeckt.

Kate Moss machte den Heroin-Chic en vogue

Auch sie unterschied sich enorm von diesen Frauen – die Britin war kleiner, dünner und lebte den Grunge-Look. Endlich ein Model zu dem ich aufblicken konnte? Leider nein, denn mit Kate Moss und ihrer Calvin Klein-Kampagne wurde der Heroin-Chic geboren und plötzlich war blasse Haut, dünne Glieder und konkave Bäuche gefragt. Dienen konnte ich mit den gefragten Attributen nicht.

Erst Jahre später merkte auch die Modeindustrie, dass von Diversität bei Fashion Shows und Magazinen nicht die Rede sein konnte. 2016 erreichte Ashley Graham dann den Durchbruch: Das Plus-Size-Model war Cover-Star bei der "Sports Illustrated". Ein Meilenstein für alle Frauen jenseits von Größe 34.

Diversität auch in der Mode angekommen

Erst zwei Jahre später tastete sich auch die britische "Vogue" an ein abweichendes Frauenbild heran und Paloma Elsesser zierte das Cover der Zeitschrift. Plus-Size-Models und kurvige Frauen folgten auf den Laufstegen, wurden für Kampagnen gebucht und einige Designer brachten eigene Plus-Size-Kollektionen heraus. Die Modewelt schien nach all den Jahren diverser zu werden und versuchte jeder Frau ein gutes Gefühl geben. Als auch endlich Heidi Klum verschieden Typen von "Määääädchen" für "Germany’s Next Topmodel" castete, dachte ich: "Wir haben es endlich geschafft!"

Endlich hatte ich mich daran gewöhnt, mich repräsentiert zu fühlen und verschiedene Frauenkörper auf den Laufstegen bewundern zu dürfen. Nur um bei den Fashion Weeks für Herbst/Winter 2023/24 erneut enttäuscht zu werden: Ich sah weder Models in Normgröße noch in Übergröße. Kam das vielleicht nur mir so vor?

96 Prozent Size-Zero-Models

Nein! Der "Vogue Business"-Size Inclusivity Report bestätigte meine Befürchtung. Anstatt im Jahr 2023 weiter in Richtung Diversität und Body Positivity zu gehen, machte die Modeindustrie einen gewaltigen Rückschritt: Die Rückkehr des Y2K-Trends, die Mode der 2000er, wurde von den Designern ausgerufen und mit ihm ein einheitliches und wenig diverses Frauenbild, die Size-Zero-Models.

Laut der "Vogue Business"-Analyse wurden 9000 Looks bei den Modenschauen gezeigt, davon fielen nur 0,6 Prozent in die Kategorie Plus Size (ab einer Kleidergröße von US 14). Umgerechnet bedeutet das, dass von 219 Marken, die bei den Fashion Weeks dabei waren, nur 17 einen Look in Übergröße hatten. Die Mid-Size-Models lagen mit 3,8 Prozent über dem Wert der Übergrößen-Models – ausreichend ist das jedoch nicht.

Die Mehrheit der Models entsprach Size Zero. Nur 3,8 Prozent trugen US-Größe 8-12 und sogar nur 0,6 Plus Size Models (ab Größe US 14) liefen über den Catwalk. © Collage Gettyimages.com

"Vogue" kürt Supermodels

Schlussendlich muss ich zugeben, dass ich mit einer gewissen Schadenfreude die April-Ausgabe der britischen "Vogue" betrachtet habe. Das Magazin brachte Paloma Elsesser, Precious Lee und Jill Kortleve auf das Cover. "Die Laufstege werden wieder einmal wegen eines krassen Mangels an Körpervielfalt unter die Lupe genommen, aber dieses Cover war nicht als Statement gedacht. Es ist die Krönung eines allmächtigen Trios, der Supermodels einer neuen Generation", schreibt das Magazin zu der Ausgabe. Was mir also Hoffnung macht? Auch wenn die Modenschauen, die Diversität der Models betreffend, ein Rückschlag waren, so braucht es nur eine neue Generation, die das einfach nicht mehr hinnimmt.

Jeder Mensch hat das Recht gesehen und respektiert zu werden

Die Hoffnung, die ich nach all den Jahren in die Fashion-Szene gesteckt hatte, ist mit einem Mal komplett erloschen. Es fühlt sich fast wie eine Farce an, über eine Sache zu berichten, die mich komplett ignoriert.

Dabei geht es nicht darum, nur mehr Models in Größe 44 und darüber über die Laufstege zu schicken, sondern jeder Frau und jedem Körper seinen Platz einzuräumen und nicht gewisse Gruppen nur am Rande zu zeigen. Jeder Mensch hat es verdient in der (Mode-)Welt gesehen und respektiert zu werden.

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